Hallo Baden,
ich bin Pepper von Venib – Verein Nicht-binär und ich freue mich, dass ihr alle da seid!
Die, die mich kennen wissen ja, dass ich mich in meinen Reden immer gern über irgendwas aufrege: Es geht einfach viel zu wenig und viel zu langsam weiter. Auch die Pride in Wien finde ich hat mehr die Vibes von einem queeren Donauinselfest als von einer politischen Kundgebung. Poltisches und zivilgesellschaftliches Engagement sind super wichtig, damit wir was weiter bringen. Das Personenstandsgesetz ist zum Beispiel von 1983 und genauso lange klagen wir dagegen, aktuell mit der Genderklage, wo wir drauf warten, dass der Verwaltungsgerichtshof eine Entscheidung trifft. Währenddessen versuchen wir auf anderen Wegen auch für die Rechte von trans, inter* und nicht-binären Menschen zu kämpfen. Da gehen wir der Datenschutzbehörde, der Gleichbehandlungskomission, dem Innenministerium, dem Gesundheitsministerium und diversen Institutionen und Firmen hart auf die Nerven! Auf unserer Webseite findet ihr auch ein Musterschreiben, mit dem ihr euch beschweren könnt, wenn es Firmen nicht schaffen Anreden und Geschlechtseinträge diskriminierungsfrei in ihre Formulare einzubauen. Wir haben das Recht auf korrekte Anreden erfolgreich erkämpft und wir können es jetzt auch durchsetzen!
Letzthin war ich auch auf einem Networking Event mit Unternehmen, die sich im LGBTIAQ+ Bereich engagieren. Dabei gings aber um ein anderes Thema: Ihr habt vielleicht von unserem Brief an Österreich gehört, den das QCK organisiert hat und der von knapp 30 queeren Organisationen unterstützt wird. Darin kritisieren wir die menschenverachtende, hasserfüllte und medizinisch wie sozial gefährlichen Ideen unseres Bundeskanzlers, die er in seinem Österreichplan zu trans, inter* und nicht-binären Menschen hat. Wir machen dazu grade noch einen zweiten Aufruf, nämlich einen offenen Brief der Unternehmen an den Bundeskanzler. Die Firmen sollen also dazu aufrufen, dass er mit statt uns über uns redet. Ihr könnt auch gerne Firmen auf Social Media taggen, damit sie da auch unterschreiben. Wir finden nämlich, als Firma nur auf die Pride gehen ist zu wenig.
Jedenfalls haben die Leute beim Networking unter anderem erzählt, dass sie es endlich geschafft haben, dass sie im Juni Regenbogenfahnen im Büro aufhängen dürfen. Wir fangen an vielen Stellen also ganz ganz am Anfang an. Deswegen ist es so wichtig, dass ihr alle da seids. Sichtbar sein zählt schon als Aktivismus. Exisitieren zählt schon als Aktivismus. Wir haben es in Mistelbach gesehen, wo sich Leute im Vorgarten versammelt haben, um Teilnehmer*innen der Pride zu belästigen. Wir sind an vielen Stellen noch sehr, sehr weit weg von Gleichberechtigung. Grad am Land ist es oft so, dass man sich halt kennt und deswegen wissen alle alles. Da ist es umso schwieriger, wenn so getan wird, als dürft man von seinem schwulen Onkel, lesbischen Partner*in oder dem trans Kind nur hinter vorgehaltener Hand erzählen. Da muss noch einiges an Aufklärungsarbeit stattfinden und wir machen diese Arbeit heute. Wir sind da! Wir sind sichtbar! Wir sind laut!
Apropos Sichtbarkeit: 2021 hat das Rathaus in Baden den Antrag abgelehnt, dass eine Regenbogenfahne aufgehängt wird. Hängt heute eine dort?
Seids lästig! Schreibt’s eurem Gemeinderat! Sie sollen Pride Flags aufhängen und auch gleich noch eine paar bunte Zebrastreifen bauen. Jedes Mal, wenn sich Konservative über eine Pride Flag aufregen, haben wir unseren Bildungsauftrag schon fast erfüllt!
Nicht nur im Gemeinderat ist viel zu tun, die Europawahl hat gezeigt, dass auf EU Ebene auch einiges zu tun ist und die Nationalratswahl wird so wie es gerade aussieht auch eher neue Probleme schaffen als alte lösen. Im Moment schauts sehr danach aus, dass Rechten, Konservative und Menschenrechtsfeinde sich durchsetzen. Nehammer will zum Beispiel eine rechtliche Konkretisierung der Geschlechter. Und das, obwohl er als damaliger Innenminister genau jenes Verfassungsgerichtshoferkentniss umsetzen musste, die dem widerspricht. Und das auch nur, nachdem wir ihn bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft angezeigt haben. Das Erkenntnis besagt, dass sich die Leute genau das, was Nehammer will, nicht ‚gfallen lassen müssen. Menschen müssen sich nur als das Geschlecht bezeichnen lassen, das für sie selbst als Beschreibung passt. Wir gehen also davon aus, dass vieles von dem, was geplant ist, wieder durch die Gerichte kassiert wird. Aber wir sehen in Ungarn und Polen, wie schnell hart erkämpfte Rechte wieder weg sein können und wie lange der Rechtsweg dauert. Haltets zusammen, gehts wählen und lasst euch nicht spalten. Wir können nicht akzeptieren, dass Communitys gespalten und gegeneinander ausgespielt werden. Nehammer will das Verbot von Konversionbehandlungen zum Beispiel auch nur für Homosexuelle einführen, aber nicht für trans Menschen. Es ist noch viel zu tun und es wird wahrscheinlich noch mehr.
Genießt heute die Pride, aber vergesst nicht, warum wir da sind. Erzählts euren Freunden, Bekannten und Großeltern von den Gays & Theys, die ihr heute getroffen habt. Wir sind ein dankbares Ziel für reaktionäre Kräfte, weil wir als Community groß genug sind, dass man uns kennt, aber klein genug, dass nicht unbedingt jeder eine queere Person kennt. Vor allem genderqueere Menschen. Lassen wir uns nicht entmenschlichen. Reden wir mit den Leuten. Passts aber auf euch auf, bei manchen hilft reden leider nicht mehr.
Lasst euch nicht unterkriegen. Feiern wir das Leben!
Happy Pride